Kategorien
Projekte

Auf Zypern

Was kann Gemeinschaft mehr tragen als Musik, was die Menschen mehr verbinden? Ein ambitioniertes Projekt liegt vor uns. Wochenlang haben wir uns mit Brahms „Ein deutsches Requiem“ auseinandergesetzt und nun soll es losgehen. Auf der Heimatinsel unseres Chorleiters, Stelios Chatziktoris, der Sonneninsel Zypern, wollen wir dieses fantastische Werk gemeinsam mit einem zypriotischen Chor zur Aufführung bringen. Es ist schon herbstlich kühl, als wir in Berlin Schönefeld in den Flieger steigen.

Uns empfängt eine Traumlandschaft mit Palmen und einem Meer, welches uns zum täglichen Bad einlädt.

Traumlandschaft

 Den ersten Abend lassen wir bei griechischem Wein und südländischer Küche ausklingen. Es sind die ersten Stunden nach der Ankunft und die Vorfreude, die einem ein Gefühl der Ewigkeit vermitteln, sind wir nicht schon immer hier gewesen? Für die leckeren Speisen bedanken wir uns mit einem griechischen Hochzeitslied: „To Jasemin“. Wirte, Bedienung und andere Gäste lauschen andächtig und erfreuen sich an unserem HXOS-Klang. Mit reichlich Ouzo werden wir verabschiedet.

Beim Bummeln

Am nächsten Tag gibt es das erste Treffen mit dem Partnerchor, wir sind hier schließlich nicht im Urlaub. Ein kleines Buffet ist aufgebaut und dann geht es dank Stelios kaum enden wollendem Einfallsreichtum auf Schnupperkurs mit den zypriotischen Sangesschwestern und -brüdern. Mit verschiedenen Bewegungsspielen und -mustern werden wir immer wieder neu zusammengewürfelt, wie in einem Kaleidoskop entstehen immer neue Bilder

4 FOTO Wir lernen uns kennen

Mit geweiteten Lungenflügeln und einer bunt gemischten Sitzordnung beginnt die Probenarbeit. Unser Orchester besteht aus einem Pianistenehepaar zu 4 Händen am Flügel

Wir lernen uns kennen

Es ist ein Genuss zu leben. Unter dem blauen Himmel und dem strahlenden Licht der Sonne sind die Klänge der Musik unser ständiger Begleiter. Natürlich gibt es auch ein Rahmenprogramm: eine Stadterkundung von Limassol, wo sich fußläufig zum Meer unser Hotel befindet, ein Ausflug mit dem Bus nach Nikosia, wo unser erstes Konzert stattfinden soll. Warum nur brauchen die Menschen Mauern, um sich voneinander abzugrenzen? Immerhin ist die Grenze durchlässig und die Basare im türkischen Teil der Hauptstadt voller fremdländischer Faszination.

Minarett

Im Goethe-Institut, unserem Hauptsponsor, werden wir über die politischen Verhältnisse aufgeklärt. Natürlich bedanken wir uns auch hier herzlich mit unserer Sangeskunst.

Schnell fliegt die Zeit unserem ersten Konzert entgegen. Mitten im Grenzstreifen von Nikosia liegt die Kirche „Holy Cross“

Holy Cross

Neben dem Hauptwerk präsentiert jeder Chor noch ein eigenes Programm. Stellproben, Anpassung der Inszenierung an die Möglichkeiten, die der Altarraum der Kirche bietet, Spannung und Nervosität liegen in der Luft. Und dann ist es soweit. Die Frauen zupfen ein letztes Mal an ihren Röcken, nutzen einen letzten Blick in die Spiegel, die Männer rücken ihre Fliege zurecht.  Die Kirche ist bis zum letzten Platz gefüllt, als wir die Bühne betreten.

Stelios Chatziktoris

Nun hat die Konzentration ihren Höhepunkt erreicht und als Stelios den Takstock hebt, dürfen wir Teil des Klangkörpers werden, den diese Kirche bietet. In einem solchen Konzert ergeht es uns wie den Wassertropfen, die sich von der Quelle zur Mündung mitreißen lassen, geleitet von der imaginären Kraft der Erdanziehung. Unser Chorleiter führt uns in die Tiefgründigkeit des großen Werks von Johannes Brahms. Trost und Leid liegen eng beieinander und bei „Hölle, Hölle, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist Dein Stachel“ sind wir vollständig eins geworden mit der Musik, der Endlichkeitsahnung des Lebens, die jeden innerlich in fiebrige Schwingung versetzt. Erschöpft und glücklich nehmen wir den tosenden Applaus dankbar entgegen.

Das zweite Konzert findet im Theater ……… von Limassol statt. Wir müssen uns mit dem neuen Aufführungsort vertraut machen, die Auf- und Abgänge in neue Ordnung gebracht werden, die Ausrichtung der Schweinwerfer eingestellt. Wer liegt wo bei „Sleep“ von Charles Anthony Silvestri?

Bei Eric Whitacres „Sleep“

Mit dem Applaus nach dem Konzert geht unser Arbeitsprogramm auf der Insel zu Ende. Klar ist, dass wir den zypriotischen Chor nach Deutschland einladen werden, um das gemeinsame Konzert auch in Berlin aufzuführen.

Uns bleiben noch 2 Tage vor dem Rückflug für Entspannung, Strandleben und weitere Erkundungen. Besonders beeindruckend für uns eine Wanderung durch die Avakas-Schlucht. In der Regenzeit kann man die Schlucht nicht begehen. Jetzt ist es nur ein Rinnsal , welches durch das Nadelöhr sich eng gegenüber stehender Felswände fließt und uns Durchlass gewährt. Wir halten inne und lauschen unseren eigenen Klängen, wie sie sich im Hall der kathedralenartig nach oben strebenden Wände versmischen und langsam entschwinden.  

Text

Jürgen Klemisch