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Auf ins „vielbetürmte Prag“

Der ’HXOS Chor Berlin beim 33. Praga Cantat

Der Tag begann für einige von uns sehr früh. Bereits um kurz vor 7 Uhr verließ unser charmanter tschechischer Zug den Berliner Hauptbahnhof Richtung Prag. Nachdem wir den Donnerstag noch für ausführliche Feldenkrais-Sessions, dadaistisch anmutende Sprechübungen und natürlich Singen nutzten, fielen die meisten von uns erschöpft in ihre Betten. Am nächsten Tag, Freitag, fand nämlich der eigentliche Wettbewerb statt, der dann am Samstag im Grand Prix gipfelte, wo die besten Chöre aus allen Kategorien gegeneinander antraten. Chöre aus aller Welt, von Indonesien über Ungarn, Italien und Lettland, waren angereist, um am 33. Praga Cantat teilzunehmen.

Der ‚HXOS Chor tanzt aus der Reihe. Spaß und Spannung vor dem Auftritt.

Im Wettbewerb gab es sieben Kategorien, wovon der ‚HXOS Chor Berlin mit seinem Chorleiter Stelios Chatziktoris in drei antrat (Frauen, Männer, gemischt). Der Zeitplan war ein logistisches Meisterwerk. Umziehen, Einsingen, Wettbewerb – und das dreimal hintereinander (angezogen waren wir dann allerdings schon). Der Frauenchor trat als erstes an, schließlich der Männerchor und den krönenden Abschluss bildete der gesamte ‚HXOS in seiner vollen Pracht. Am Ende des Wettbewerbstags stand eine Entscheidung aus, die einen erheblichen Einfluss darauf hatte, wieviel Pils an diesem Abend unsere Kehlen hinunterfloss. Unsere Delegation kehrte mit einer frohen Botschaft zurück. Und wieder hieß es früh ins Bett und nach dem Frühstück ab zur Probe, denn: Der ‚HXOS Chor war im Grand Prix!

In unserem Element. Der HXOS Chor singt vor den kritischen Augen und Ohren der Jury.

Wieder pferchten wir uns zum Einsingen in den kleinen Frühstücksraum, stiefelten mit unseren Kleidersäcken in den historistischen Prachtbau, der den Praga Cantat beherbergt, und ehe wir es uns versahen, standen wir erneut auf der Bühne. Während uns die Wettbewerbssituation am Vortag noch verunsichert hatte, weil außer der Jury nur wenige Zuschauer*innen da waren, war nun das Publikum voll besetzt mit den anderen Chören und wir fühlten uns sofort wohl. Da wir als zweites antraten, hatten wir auch Zeit, den anderen Chören zuzuschauen und Applaus zu spenden.

So sehen Sieger*innen aus. Freudentaumel nach der Preisverleihung.

Am Abend verwandelte sich der Konzertsaal in eine riesige Partyhalle. Die Preisverleihung wurde von Fanfaren begleitet und höchstprofessionell moderiert. Die Spannung stieg. Der Männer– und der Frauenchor bekamen je das Prädikat „gold“ verliehen, wobei die ‚HXOS-Männer* auch gleich Sieger ihrer Kategorie waren. Die Freude war groß – erst diesen März sind wir in dieser Besetzung bei einem Sonntagskonzert in der Philharmonie das erste Mal aufgetreten. Die letzte Kategorie, die verkündet wurde, war die der gemischten Chöre, wo mit 7 Chören auch die meisten antraten. Was dann kam, erweckt bei mir heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. „’HXOS Chor Berlin!“ rief die Moderatorin plötzlich und im nächsten Moment sprangen wir auf und fielen uns in die Arme. Die Konkurrenz, die wir erst vorhin beim Grand Prix bewundern konnten, war groß – mit perfekt einstudierten Choreographien, tollen Solostimmen und beeindruckenden zeitgenössischen Stücken hatten sie alle bewiesen, dass sie ihren Platz beim Wettbewerb verdient hatten. Auch wenn wir auf unsere Leistung stolz waren, wir waren doch wirklich überrascht, dass wir die Kategorie gegen alle anderen wunderbaren Chöre gewonnen hatten. Wir schrien uns die Kehlen aus dem Hals, jubelten und trugen unseren Maestro Stelios das erste Mal nicht nur sprichwörtlich auf Händen. Ebenso freute sich der indonesische Chor, „Manado Catholic Choir“, der zum Sieger des Grand Prix‘ gekürt wurde.

Der ‚HXOS Chor Berlin hatte mehr erreicht, als wir zu träumen gewagt hatten. Für einige von uns war es der erste Chorwettbewerb und nach Erfolgen in Deutschland konnte sich der Chor nun auch international beweisen. Wir fuhren nachhause mit 3 Gold-Prädikaten, zwei Kategoriesiegen und einem Zusatzpreis für die herausragende Dramaturgie des Wettbewerbsprogramms. Das Wochenende rundeten wir perfekt ab mit einem Stadtspaziergang im Regen und Chorgesang auf der Prager Burg, der Karlsbrücke und im Zug nach Berlin. Müde, heiser und voll von Eindrücken und Emotionen musste jede*r erstmal wieder in den Alltag zurückfinden. Und auch heute, wenn jemand unser Wochenende in Prag anspricht, kann man ein Glänzen in den Augen aller sehen, die mit dabei waren: Das werden wir so schnell nicht vergessen!

Text

Orlando Brix

Bilder

Philipp Willmroth
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Auf Zypern

Was kann Gemeinschaft mehr tragen als Musik, was die Menschen mehr verbinden? Ein ambitioniertes Projekt liegt vor uns. Wochenlang haben wir uns mit Brahms „Ein deutsches Requiem“ auseinandergesetzt und nun soll es losgehen. Auf der Heimatinsel unseres Chorleiters, Stelios Chatziktoris, der Sonneninsel Zypern, wollen wir dieses fantastische Werk gemeinsam mit einem zypriotischen Chor zur Aufführung bringen. Es ist schon herbstlich kühl, als wir in Berlin Schönefeld in den Flieger steigen.

Uns empfängt eine Traumlandschaft mit Palmen und einem Meer, welches uns zum täglichen Bad einlädt.

Traumlandschaft

 Den ersten Abend lassen wir bei griechischem Wein und südländischer Küche ausklingen. Es sind die ersten Stunden nach der Ankunft und die Vorfreude, die einem ein Gefühl der Ewigkeit vermitteln, sind wir nicht schon immer hier gewesen? Für die leckeren Speisen bedanken wir uns mit einem griechischen Hochzeitslied: „To Jasemin“. Wirte, Bedienung und andere Gäste lauschen andächtig und erfreuen sich an unserem HXOS-Klang. Mit reichlich Ouzo werden wir verabschiedet.

Beim Bummeln

Am nächsten Tag gibt es das erste Treffen mit dem Partnerchor, wir sind hier schließlich nicht im Urlaub. Ein kleines Buffet ist aufgebaut und dann geht es dank Stelios kaum enden wollendem Einfallsreichtum auf Schnupperkurs mit den zypriotischen Sangesschwestern und -brüdern. Mit verschiedenen Bewegungsspielen und -mustern werden wir immer wieder neu zusammengewürfelt, wie in einem Kaleidoskop entstehen immer neue Bilder

4 FOTO Wir lernen uns kennen

Mit geweiteten Lungenflügeln und einer bunt gemischten Sitzordnung beginnt die Probenarbeit. Unser Orchester besteht aus einem Pianistenehepaar zu 4 Händen am Flügel

Wir lernen uns kennen

Es ist ein Genuss zu leben. Unter dem blauen Himmel und dem strahlenden Licht der Sonne sind die Klänge der Musik unser ständiger Begleiter. Natürlich gibt es auch ein Rahmenprogramm: eine Stadterkundung von Limassol, wo sich fußläufig zum Meer unser Hotel befindet, ein Ausflug mit dem Bus nach Nikosia, wo unser erstes Konzert stattfinden soll. Warum nur brauchen die Menschen Mauern, um sich voneinander abzugrenzen? Immerhin ist die Grenze durchlässig und die Basare im türkischen Teil der Hauptstadt voller fremdländischer Faszination.

Minarett

Im Goethe-Institut, unserem Hauptsponsor, werden wir über die politischen Verhältnisse aufgeklärt. Natürlich bedanken wir uns auch hier herzlich mit unserer Sangeskunst.

Schnell fliegt die Zeit unserem ersten Konzert entgegen. Mitten im Grenzstreifen von Nikosia liegt die Kirche „Holy Cross“

Holy Cross

Neben dem Hauptwerk präsentiert jeder Chor noch ein eigenes Programm. Stellproben, Anpassung der Inszenierung an die Möglichkeiten, die der Altarraum der Kirche bietet, Spannung und Nervosität liegen in der Luft. Und dann ist es soweit. Die Frauen zupfen ein letztes Mal an ihren Röcken, nutzen einen letzten Blick in die Spiegel, die Männer rücken ihre Fliege zurecht.  Die Kirche ist bis zum letzten Platz gefüllt, als wir die Bühne betreten.

Stelios Chatziktoris

Nun hat die Konzentration ihren Höhepunkt erreicht und als Stelios den Takstock hebt, dürfen wir Teil des Klangkörpers werden, den diese Kirche bietet. In einem solchen Konzert ergeht es uns wie den Wassertropfen, die sich von der Quelle zur Mündung mitreißen lassen, geleitet von der imaginären Kraft der Erdanziehung. Unser Chorleiter führt uns in die Tiefgründigkeit des großen Werks von Johannes Brahms. Trost und Leid liegen eng beieinander und bei „Hölle, Hölle, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist Dein Stachel“ sind wir vollständig eins geworden mit der Musik, der Endlichkeitsahnung des Lebens, die jeden innerlich in fiebrige Schwingung versetzt. Erschöpft und glücklich nehmen wir den tosenden Applaus dankbar entgegen.

Das zweite Konzert findet im Theater ……… von Limassol statt. Wir müssen uns mit dem neuen Aufführungsort vertraut machen, die Auf- und Abgänge in neue Ordnung gebracht werden, die Ausrichtung der Schweinwerfer eingestellt. Wer liegt wo bei „Sleep“ von Charles Anthony Silvestri?

Bei Eric Whitacres „Sleep“

Mit dem Applaus nach dem Konzert geht unser Arbeitsprogramm auf der Insel zu Ende. Klar ist, dass wir den zypriotischen Chor nach Deutschland einladen werden, um das gemeinsame Konzert auch in Berlin aufzuführen.

Uns bleiben noch 2 Tage vor dem Rückflug für Entspannung, Strandleben und weitere Erkundungen. Besonders beeindruckend für uns eine Wanderung durch die Avakas-Schlucht. In der Regenzeit kann man die Schlucht nicht begehen. Jetzt ist es nur ein Rinnsal , welches durch das Nadelöhr sich eng gegenüber stehender Felswände fließt und uns Durchlass gewährt. Wir halten inne und lauschen unseren eigenen Klängen, wie sie sich im Hall der kathedralenartig nach oben strebenden Wände versmischen und langsam entschwinden.  

Text

Jürgen Klemisch
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I glaub die Grieche g’winned!

Der ‚HXOS Chor beim

Deutschen Chorfest 2016 in Stuttgart

Am 27. Mai 2016 sollte es so weit sein: HXOS goes national! Unser HXOS-Kindergarten wollte sich zum ersten Mal seit seinem Bestehen auf größeren Bühnen im Süden Deutschlands, vor echten Juroren und schwäbischen – und vielleicht internationalem? – Publikum behaupten.

Um 6 Uhr morgens traf sich der bunte Haufen am Berliner Hauptbahnhof, um die Reise zu seinem ersten deutschen Wettbewerb in Stuttgart anzutreten. Über 100 Chorfest-Ensembles sollten sich beim dritten Chorwettbewerb des Deutschen Chorverbands musikalisch miteinander vergleichen. Von den zehn verfügbaren Kategorien Alte Musik/Klassik, Romantik, Zeitgenössische Musik, Jazz/Pop/Gospel, Show/Musical, Folklore/World Music, Kinderchöre, Jugendchöre, Vocal Bands und Vokalensembles hatte Stelios uns selbstbewusst und siegessicher für die Kategorien Alte Musik und Geistliche Romantik angemeldet. Seit Wochen studierten wir nicht nur Töne, Dynamik, Rhythmus und Klangfarbe von Schütz‘ „Es ist erschienen“, Brahms Motette „Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen“ und „Gaude Virgo“ ein, sondern hatten choreigene Experten für das Vortragen der exzellenten Übersetzungen der lateinischen Texte auserkoren, die uns immer wieder daran erinnerten, dass die Jungfrau, Gottesmutter “durch ihre Ohren” und mithilfe von Erzengel Gabriel erfahren hatte, dass sie ein Kind gebären werde, was unseren Enthusiasmus beim Aussprechen der einzelnen Wörter um ein Vielfaches steigerte (danke, Claudius!).

Wir lebten, aßen, probten in unserer gemütlichen Jugendherberge abseits vom geschäftigen Treiben Stuttgarts, das dieses verlängerte Wochenende „ganz (Ch)or“ war. Am Tag nach unserer Anreise fand unser erster Wettbewerb in der Kategorie Alte Musik in der geschichtsträchtigen Lutherkirche in Bad Cannstadt statt. Schweißgebadet, lampenfiebrig und mit weichen Knien sangen wir uns durch unseren ersten 15-minütigen Auftritt und fielen einander anschließend erleichtert in die Arme: Es war vollbracht, wir hatten das erste Mal vor Juror*innen unseren Klang präsentiert! Fünf Stunden und einige hundert Aussprache-, Atem- und Pelikanübungen später bedachte uns eine verhalten positiv wirkende Jury und ein begeisterungsfähigeres schwäbisches Publikum mit Beifall für unseren zweiten Wettbewerb zur geistlichen Romantik. Wir waren euphorisch, trotz Lampenfiebers hatten wir unser Bestes gegeben, war unserem Sopran der herausfordernden Intervallsprung vom D-Dur ins schwebende g-Moll der Brahmsmotette gelungen – ein Sprung, den wir so häufig, in Stelios‘ Worten „geputzt“ hatten und nun wollten wir dies auch gebührend im griechischen Restaurant der Stuttgarter Innenstadt feiern.

Stuttgart ist ganz Chor!

Für das Tageskonzert im Dom Sankt Eberhard am darauffolgenden Tag hatten wir uns zeitlich verkalkuliert, sodass wir, am Stuttgarter Hauptbahnhof angekommen bei angenehmen 32 Grad mit Sakkos und schwarzer Festkleidung unter dem Arm durch die Innenstadt flitzten, um unser Publikum noch rechtzeitig mit unserem Nicht-Wettbewerbs-Repertoire zu begeistern. Der Morgensport, Schweiß und kurze Schwächeanfälle wurden prompt mit unseren ersten standing ovations und vor Rührung weinenden Fans belohnt! Wir konnten es nicht fassen, dass unser Klang so geliebt wurde, dass die Menschen unseretwegen Tränen vergießen sollten. Das war mit Sicherheit einer der schönsten Momente der gesamten Reise!

Sehr nah an dieses Highlight kamen auch die Spannung und Vorfreude, die wir am nächsten Tag bei der Bekanntgabe der Gewinner am Schlossplatz verspürten. Der Satz eines männlichen Fans vom Vortag „I glaub die Grieche g`winned!“ sollte sich bewahrheiten: Der erste Preis in unseren Kategorien im Stuttgarter Chorfest ging nach Berlin, an den HXOS Chor!

Wer hätte damals gedacht, dass John Sheppard’s In Manus tuas unser „signature piece“ für die nächsten Jahre sein würde, mit dessen Klang und kreuzförmiger Choreografie wir uns auch für unseren nächsten Wettbewerb im darauffolgenden Jahr in Limburg bewerben und Menschen in unserem Crowdfunding Projekt von uns begeistern würden. Die elfstündige Heimfahrt im Flixbus versüßten wir uns mit Gesang, Tankstellen-Leckereien; der eine oder andere genervte Blick unserer Mitreisenden, als wir das zehnte Mal “ihr Elfen weiß und rot und blau” anstimmten konnte dabei kein Wässerchen trüben. Das Fazit dieser wunderbaren Reise: Wir waren in Stuttgart auf den Wettbewerbs-Geschmack gekommen und würden uns in den darauffolgenden Jahren für weitere Wettbewerbe anmelden (und immer wieder gewinnen, dazu aber in der nächsten Geschichte des HXOS-Kindergartens, mehr).

Text

Tatiana Morar